51. Ordentliche Tagung des Menschenrechtsrates

12. September - 7. Oktober 2022

Punkt 3 - Förderung und Schutz aller Menschenrechte, der bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, einschliesslich des Rechts auf Entwicklung

Interaktiver Dialog mit der Arbeitsgruppe für erzwungenes oder unfreiwilliges Verschwindenlassen 

20. September 2022

  

Von Emily Bare / GICJ

Übersetzt von Loïc Dorthe

 

Zusammenfassung 

Als gewaltsames Verschwindenlassen gilt die Festnahme, Inhaftierung, Entführung oder jede andere Form des Freiheitsentzugs durch Vertreter des Staates oder durch Personen oder Personengruppen, die mit Genehmigung, Unterstützung oder Duldung des Staates handeln, gefolgt von der Weigerung, den Freiheitsentzug anzuerkennen, oder von der Verheimlichung des Schicksals oder des Verbleibs der verschwundenen Person, wodurch eine solche Person dem Schutz des Gesetzes entzogen wird».

Am 20. September 2022, unter Punkt 3 der 51. Sitzung des Menschenrechtsrates, stellte der Vorsitzende der Arbeitsgruppe für erzwungenes oder unfreiwilliges Verschwindenlassen (UNWGEID), Luciano Hazan, den Bericht der UNWGEID vor. In seiner Eröffnungsrede wies er darauf hin, dass dieses Jahr der 30. Jahrestag der Erklärung über den Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen ist. Er wies darauf hin, dass trotz der Zusagen und Versprechen der Staaten, die Situation zu verbessern, das Verschwindenlassen von Personen weiterhin andauert und es neue Trends gibt, die neue Herausforderungen mit sich bringen. Er betonte den Besuch der UNWGEID vom 5. bis 12. April 2022 in Zypern hin, dass er als besorgniserregendes Land bezeichnete.

Der Bericht der UNWGEID konzentrierte sich auf die Aktivitäten der Mitteilungen und Fälle, die von der UNWGEID vom 22. Mai 2021 bis zum 13. Mai 2022 untersucht wurden. Der Bericht hob die Übermittlung neuer Fälle und dringender Appelle zum Verschwindenlassen an die Staaten hervor. Darüber hinaus wurde die anhaltende Besorgnis der UNWGEID über das mangelnde Engagement und die mangelnde Zusammenarbeit mehrerer Länder zum Ausdruck gebracht und festgestellt, dass es für die UNWGEID immer schwieriger geworden ist, positive Antworten auf ihre Anfragen für Länderbesuche zu erhalten.

GICJ begrüsst den jüngsten Bericht der UNWGEID über das gewaltsame Verschwindenlassen und verurteilt den systemischen Charakter dieses Verbrechens. GICJ nahm an dem interaktiven Dialog teil und gab zwei gemeinsame mündliche Erklärungen während des interaktiven Dialogs über das gewaltsame Verschwindenlassen im Irak ab. Wir betonen die Notwendigkeit, den Druck auf die Regierungen zu erhöhen, damit sie ihren Verpflichtungen nachkommen und eine umfassende Politik zur Aufarbeitung vergangener Missbräuche, einschliesslich des gewaltsamen Verschwindenlassens, entwickeln und umsetzen. Wir fordern die UNO und die internationale Gemeinschaft auf, konkrete Massnahmen zu ergreifen, um diese Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.

 

Hintergrund

Die Praxis des Verschwindenlassens ist seit vielen Jahren ein weltweites Problem. Die Generalversammlung nahm erstmals in der Resolution 33/173 auf das Problem der "Verschwundenen" Bezug, in der sie ihre tiefe Besorgnis über Berichte aus verschiedenen Teilen der Welt über erzwungenes oder unfreiwilliges Verschwinden zum Ausdruck brachte.

1979 schlug die Unterkommission für die Verhütung von Diskriminierung und den Schutz von Minderheiten die Einrichtung einer Arbeitsgruppe vor, die sich aus Experten zusammensetzen sollte, um Fragen im Zusammenhang mit erzwungenem oder unfreiwilligem Verschwinden zu untersuchen. Die Arbeitsgruppe für erzwungenes oder unfreiwilliges Verschwinden (UNWGEID) wurde daher im Februar 1980 durch Resolution 20 (XXXVI) eingesetzt und war der erste thematische Menschenrechtsmechanismus der Vereinten Nationen, der mit einem universellen Mandat ausgestattet wurde.

Das Mandat des UNWGEID besteht darin, Familien von Verschwundenen dabei zu unterstützen, das Schicksal und den Verbleib ihrer verschwundenen Angehörigen zu ermitteln, die Einhaltung der Verpflichtungen der Staaten aus der Erklärung über den Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen zu überwachen und die Staaten bei der Umsetzung dieser Normen zu unterstützen.

Die UNWGEID setzt sich aus fünf unabhängigen Experten zusammen, die geografisch ausgewogen vertreten sind. Gemeinsam untersuchen sie Einzelfälle und erstellen Berichte und Stellungnahmen, um ihr Mandat zu erfüllen.

Die neueste Resolution zur Verlängerung des Mandats des UNWGEID, A/HRC/RES/45/3, wurde vom Menschenrechtsrat im Oktober 2020 verabschiedet und ermöglicht es dem Mechanismus, weiterhin Berichte über seine Erkenntnisse zu veröffentlichen und Untersuchungen durchzuführen.

 

Bericht der Arbeitsgruppe für erzwungenes oder unfreiwilliges Verschwindenlassen

Im Rahmen ihres fortbestehenden Mandats legte die UNWGEID am 12. August 2022 ihren neuesten Bericht vor (A/HRC/51/31). Der Bericht spiegelt die Aktivitäten der Mitteilungen und Fälle wieder, die von der UNWGEID vom 22. Mai 2021 bis zum 13. Mai 2022 untersucht wurden.

Während des Berichtszeitraums führten die Mitglieder der UNWGEID mehrere Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Verschwindenlassen von Personen durch. Zu diesen Aktivitäten gehörte die Teilnahme an Konferenzen, Konsultationen, Seminaren, Schulungsveranstaltungen, Workshops und Vorträgen, die von Regierungen und Organisationen der Zivilgesellschaft organisiert wurden. Die UNWGEID übermittelte ausserdem 375 neue Fälle von gewaltsamem Verschwindenlassen an 26 Staaten und 19 dringende Appelle in Bezug auf Personen, die verhaftet, inhaftiert, entführt oder anderweitig der Freiheit beraubt wurden oder in 16 Staaten gewaltsam verschwunden waren.

Ausserdem führte die UNWGEID vom 5. bis 12. April 2022 einen Besuch in Zypern und vom 7. bis 14. Juli 2022 einen weiteren Besuch in Uruguay durch. Die UNWGEID würdigte diese Besuche und fügte dem Bericht zwei Addendums mit abschliessenden Beobachtungen zu den Besuchen bei.

Die UNWGEID äusserte auch ihre anhaltende Besorgnis über das mangelnde Engagement und die mangelnde Zusammenarbeit mehrerer Länder und stellte fest, dass es für sie immer schwieriger geworden ist, positive Antworten auf ihre Ersuchen um Länderbesuche zu erhalten. Sie betonte ihr Bedauern darüber, dass es nicht möglich war, einen Länderbesuch in vielen Ländern durchzuführen, die nicht auf ihre Besuchsanfragen geantwortet haben. Er forderte daher alle Staaten, die ein Ersuchen um einen Besuch erhalten haben, nachdrücklich auf, dem Ersuchen im Einklang mit der Resolution 21/4 des Menschenrechtsrates positiv zu entsprechen.

Der Bericht forderte ausserdem zur Einreichung von Beiträgen zum Einsatz neuer Technologien und deren Auswirkungen auf das Verschwindenlassen von Personen auf. Der Bericht stellte fest, dass repressive Regierungen und andere Akteure, wie kriminelle Netzwerke, bewaffnete Gruppen und andere nichtstaatliche Akteure, neue Technologien gegen Menschenrechtsverteidiger und Aktivisten einsetzen können, um deren Grundrechte zu beschneiden. Diese Verstösse können in Form von Überwachung, Kontrolle, Eindringen, Desinformationskampagnen, Online-Belästigung und Cyberangriffen erfolgen. Er forderte Organisationen der Zivilgesellschaft und interessierte Parteien auf, Eingaben zu diesem Thema einzureichen, um die Untersuchungen der UNWGEID in dieser Angelegenheit voranzutreiben.

Der Bericht enthält spezifische Beobachtungen zu Situationen, die in den folgenden Ländern besonders besorgniserregend sind: Ägypten, Algerien, Bangladesch, Belarus, China, Demokratische Republik Korea, Iran, Mexiko, Myanmar, Pakistan, Russische Föderation, Sri Lanka, Arabische Republik Syrien, Türkei und Jemen.

Unter Hinweis auf die anhaltende Situation des Verschwindenlassens von Personen in vielen Regionen der Welt berief sich die UNWGEID auf Artikel 7 der Erklärung über den Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen, in dem es heisst, dass keinerlei Umstände, sei es eine Kriegsdrohung, ein Kriegszustand, innere politische Instabilität oder ein anderer öffentlicher Notstand, zur Rechtfertigung des Verschwindenlassens angeführt werden dürfen. Sie berief sich auch auf die Artikel 13 und 14, die diejenigen schützen, die mit dem Verschwindenlassen von Personen befasst sind und nach ihnen suchen.

Die UNWGEID schloss den Bericht mit der Feststellung, dass in den nicht erwähnten Ländern die Familien von Verschwundenen und die sie unterstützenden Organisationen allzu oft keine Beschwerden einreichen können und keinen Zugang zu angemessenen Rechtsmitteln haben, einschliesslich wirksamer Suchmassnahmen und unabhängiger Untersuchungen.

 

Interaktiver Dialog über den Bericht der Arbeitsgruppe

Der Vorsitzende und Berichterstatter der UNWGEID, Luciano Hazan, begrüsste zu Beginn seiner Ausführungen die Beiträge der Mitgliedstaaten und anderer Organisationen und Personen. Er wies darauf hin, dass dieses Jahr der 30. Jahrestag der Erklärung über den Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen ist. In Anerkennung dieses Jubiläums erklärte er, dass die UNWGEID während des Berichtszeitraums eine besondere Initiative gestartet hat, die darauf abzielt, den Fortschritt des internationalen Rechts in Bezug auf das gewaltsame Verschwindenlassen zu beobachten und die Hindernisse zu definieren, die der Umsetzung der Erklärung im Wege stehen. Darüber hinaus befasst sich die Initiative mit der Frage, wie die UNWGEID den Staaten helfen könnte, diese Hindernisse zu überwinden.

Hazan betonte, dass die UNWGEID in den letzten 30 Jahren unermüdlich daran gearbeitet hat, Tausenden von Familien gewaltsam verschwundener Personen zu helfen. Trotz der Zusagen der Regierungen, die Situation zu verbessern, gibt es immer noch Fälle von gewaltsamem Verschwinden, und neue Muster werfen neue Probleme auf.

Er fuhr mit weiteren Informationen aus dem UNWGEID-Bericht fort und kommentierte die Übermittlung von 375 neuen Fällen an 26 Staaten. Er schränkte jedoch ein, dass die Daten in dem Bericht kein vollständiges und genaues Bild des Ausmasses des Verschwindenlassens in der Welt vermitteln, sondern nur einen winzigen Bruchteil. Er erörterte die Tatsache, dass Repressalien gegen Familienmitglieder, die nach ihren Angehörigen suchen, nach wie vor üblich sind und dazu beitragen, dass viele Fälle von gewaltsamem Verschwindenlassen nicht gemeldet werden.

Hazan betonte, dass sich die Praxis des Verschwindenlassens verändert habe und neue Modalitäten neue Antworten und Ansätze von UNWGEID und der internationalen Gemeinschaft erforderten. Um diesen Gedanken weiter zu untersuchen, führte die UNWGEID eine neue Studie über das Zusammenspiel von Technologie und Verschwindenlassen durch. In dieser Studie wird anerkannt, dass neue Technologien sowohl negative als auch positive Auswirkungen auf die Menschenrechte haben können. Neue Technologien können gegen Menschenrechtsverteidiger eingesetzt werden, aber auch zur Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen dienen. Er erwähnte, dass weitere Informationen zu dieser Studie zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht werden, und forderte die internationale Gemeinschaft auf, sich an den Mitteilungen zu beteiligen. 

Als weiteren Aspekt des Berichts erläuterte Herr Hazan, dass die UNWGEID im Berichtszeitraum mehrere Länder besuchen konnte und hob den Länderbesuch in Zypern vom 5. bis 12. April 2022 hervor.

Er dankte der zyprischen Regierung für die Einladung und die Offenheit und Kooperation, die sie gezeigt habe. Er hob hervor, wie sich die Teilung Zyperns auf die Förderung und den Schutz der Menschenrechte im Land auswirkt, einschliesslich des Rechts auf Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Gedenken.

Herr Hazan würdigte die in Zypern erzielten Fortschritte, stellte jedoch fest, dass sich diese in den letzten Jahren verlangsamt hätten und weiterhin Herausforderungen bestünden. Er betonte, dass dringend Massnahmen ergriffen werden müssen, um die Identifizierung und Rückführung der sterblichen Überreste der Opfer zu beschleunigen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass seit der Entführung viel Zeit vergangen ist und die Angehörigen und Zeugen heute sehr alt sind. 

Es sei wichtig, das fehlende Vertrauen in das Land zu zerstreuen, um dem Leid der Familien ein Ende zu setzen.

Hazan wies auch darauf hin, dass der Besuch des UNWGEID in Uruguay für die kommenden Monate des Jahres 2022 geplant ist. Er dankte dem Land für seine Einladung und erklärte, dass die UNWGEID einen Bericht mit ihren Ergebnissen erstellen werde.

Herr Hazan schloss seine einleitenden Worte mit der Feststellung, dass es noch viel zu tun gäbe, um das Verschwindenlassen von Menschen zu bekämpfen. Er erklärte, dass wir weiterarbeiten müssen, bis wir dieser Geissel endlich ein Ende setzen. Er rief die internationale Gemeinschaft auf, sich zusammenzuschliessen und ihre Bemühungen zu verstärken, um diesem schrecklichen Verbrechen ein Ende zu setzen.

Anschliessend wurde das Wort an Zypern, das betroffene Land, für weitere Bemerkungen erteilt. Die Delegierte Zyperns dankte zunächst den Mitgliedern der UNWGEID für ihren Besuch in Zypern und ihren umfassenden Bericht. Sie betonte, dass das Schicksal der Verschwundenen in Zypern eine "offene Wunde" bleibe. Sie führte die im Bericht geäusserte Besorgnis über die Verlangsamung der Arbeit des Ausschusses für die Vermissten auf den Lauf der Zeit zurück und erklärte, dass die Aussicht auf die Entdeckung von Leichen mit jedem Jahr geringer werde. Sie fügte hinzu, dass unter bestimmten Umständen sterbliche Überreste absichtlich zerstört oder verlegt worden seien, was ihre Entdeckung unmöglich mache.

Sie wies darauf hin, dass für die Identifizierung von Überresten die Untersuchungsmechanismen Zugang zum ursprünglichen Bestattungsort haben müssen. Aus diesem Grund hat die zyprische Regierung alle Beteiligten aufgefordert, ihre Archive zu öffnen, und zwar nicht nur für die Zeit, in der die Gräueltaten stattfanden, sondern auch für die Zeit danach. Sie wies darauf hin, dass diese Archive Informationen über mögliche Begräbnisstätten sowie Informationen zur Identifizierung liefern könnten.

Sie erklärte, dass die zypritische Regierung alle für diese Stätten verantwortlichen Parteien, einschliesslich der Streitkräfte, dazu gedrängt habe, dem Ausschuss für die Vermissten direkten Zugang zu den Stätten zu gewähren.

Abschliessend erinnerte sie den Rat daran, dass ihr Staat immer die Haltung vertreten habe, dass er nicht auf eine politische Lösung warten könne, während die Zeit die Beweise verdunkle und verwische.

Anschliessend wurde den Delegationen das Wort erteilt, um Fragen an Herrn Hazan zu stellen und Kommentare zu dem Bericht abzugeben. 

Der Delegierte Litauens ergriff das Wort im Namen der nordisch-baltischen Länder. Zunächst dankte er der UNWGEID für ihren Bericht und dessen Ergänzungen. Er räumte ein, dass das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen, insbesondere von Menschenrechtsverteidigern, Journalisten und Aktivisten, weiterhin eine alarmierende Realität sei.  

Er forderte alle Staaten auf, das gewaltsame Verschwindenlassen sofort zu beenden und zu verhindern, unparteiische und unabhängige Untersuchungen einzuleiten und die Rechte der Opfer und ihrer Familien zu schützen. Er appellierte auch an die betroffenen Länder, mit der UNWGEID zusammenzuarbeiten, um deren wichtige Arbeit zu erleichtern.

Er schloss mit der Frage: Welche zusätzlichen Massnahmen könnte der Rat ergreifen, um die Umsetzung der Erklärung zu verbessern?

Die Delegierte der Europäischen Union erörterte, dass das Verschwindenlassen von Personen in vielen Teilen der Welt, auch in Europa, nach wie vor ein aktiver Bestandteil des Lebens ist. Sie hob hervor, dass diese Praktiken Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen können. Sie wies darauf hin, dass Familienangehörige von Verschwundenen, insbesondere Frauen, oft mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten und einem erhöhten Risiko sexueller Gewalt konfrontiert sind. Sie ermutigt alle Staaten, sich aktiv an der UNWGEID zu beteiligen, indem sie Besuche genehmigen und deren Empfehlungen umsetzen.

Die Delegierte der Organisation amerikanischer Staaten (OAS) lobte anschliessend die Arbeit der UNWGEID und ihren Bericht. Sie hob die Ergebnisse aus dem Jahr 2021 hervor, insbesondere die Hindernisse, mit denen die Familien von Verschwundenen konfrontiert sind, vor allem bei der Einreichung von Beschwerden oder beim Zugang zu Rechtsmitteln. Sie forderte die Staaten auf, spezifische Massnahmen zu ergreifen, um Einschüchterungsversuche gegen sie zu verhindern. Sie wies auf die Notwendigkeit einer umfassenden Politik zum Thema Verschwindenlassen hin, die darauf abzielt, das Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu verwirklichen.

Anschliessend ergriff der belgische Delegierte im Namen von Belgien, den Niederlanden und Luxemburg das Wort. Er wies auf die Bedeutung des Übereinkommens für die Verhinderung des Verschwindenlassens von Personen und für die Unterstützung der Opfer und ihrer Familien hin. Er schloss sich der in dem Bericht geäusserten Besorgnis über Länder an, in denen die verschlechterte Sicherheitslage und das politische Klima das Verschwindenlassen von Personen begünstigt haben, insbesondere dort, wo Staaten versuchen, ihre Handlungen als "Anti-Terror-Massnahmen" zu rechtfertigen. Er forderte alle Länder auf, die im UNWGEID-Bericht enthaltenen Empfehlungen vollständig umzusetzen.

Er schloss mit der folgenden Frage: Können Sie bitte näher erläutern, wie die technische Unterstützung der UNWGEID dazu beitragen kann, die Umsetzung der Erklärung zu stärken?

Der Delegierte Argentiniens ergriff daraufhin im Namen von Ecuador, Mexiko, Peru, Panama und Argentinien das Wort. Er erkannte die Herausforderungen an, mit denen die Länder bei der Bekämpfung des Verschwindenlassens konfrontiert sind, und wies auf deren Langlebigkeit hin. Er schloss mit dem Aufruf der UNWGEID, dass mehr Staaten die Konvention unterzeichnen und dem Ausschuss für das Verschwindenlassen von Personen beitreten sollten. 

Der Delegierte des Irak kommentierte den Bericht der UNWGEID und wiederholte deren Behauptung, dass die von der Gruppe behandelten Fälle bis in die Zeit vor 2003 zurückreichen. Er erklärte, dass sich sein Land derzeit mit Fällen von Verschwindenlassen befasst und versucht, die Opfer zu identifizieren. Er betonte jedoch, dass diese Aufgabe sehr schwierig sei, wenn man bedenke, wie viel Zeit vergangen sei und in welchem Zustand sich die Leichen jetzt befänden.

Die südafrikanische Delegierte erörterte die staatlichen Mechanismen und Institutionen, einschliesslich des MPTT, mit denen versucht wird, das Problem des Verschwindenlassens zu lösen. Sie erklärte, dass das MPTT weiterhin nach den Überresten vermisster Personen aus der Zeit des Apartheid-Regimes sucht, sie ausfindig macht und exhumiert. Abschliessend erklärte sie, dass ihre Delegation weiterhin in gutem Glauben mit den Menschenrechtsmechanismen zusammenarbeiten werde.

Schliesslich wurde das Wort an den Berichterstatter der UNWGEID, Herrn Hazan, zurückgegeben, um Kommentare und Antworten auf die von den vorangegangenen Ländern gestellten Fragen zu geben. Herr Hazan bedankte sich bei allen für ihre Zusammenarbeit und den Dialog. Zunächst ging er auf die Antwort Zyperns ein und wies auf die Bedeutung der bikommunalen Arbeit des Ausschusses in Zypern hin. Er bezeichnete diesen Ausschuss als ein Beispiel, das von anderen Staaten, die bewaffnete Konflikte durchgemacht haben, nachgeahmt werden sollte. Dann lobte er den Irak für seine Entscheidung, im Oktober nächsten Jahres einen Länderbesuch zu empfangen.

Anschliessend ging Herr Hazan auf einige Kritikpunkte einiger Delegationen ein. Er stellte klar, dass die UNWGEID Einzelfälle auf der Grundlage von Beschwerden oder Berichten, die sie in Übereinstimmung mit ihrem humanitären Mandat und in gutem Glauben erhält, entsendet. Er drückte seine Besorgnis darüber aus, dass viele Staaten, anstatt zu kooperieren, behaupten, dass die UNWGEID voreingenommen sei oder eine Art politische Agenda gegen sie vertrete. Er bekräftigte, dass sich die UNWGEID an die höchsten Standards der Objektivität, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit hält. Ausserdem ging er auf die Bemerkungen der Russischen Föderation ein. Er stellte klar, dass die Informationen, die die UNWGEID erhalten hat, darauf hindeuten, dass viele der Verschwundenen im Land von Soldaten der Russischen Föderation und mit ihr verbundenen bewaffneten Gruppen verübt wurden. 

Anschliessend wurde das Wort an die Delegationen zurückgegeben, um Fragen an Herrn Hazan zu stellen und Kommentare zu dem Bericht abzugeben.

Der jemenitische Delegierte wies auf die Houthi-Gruppe hin, die trotz der derzeitigen humanitären Waffenruhe im Jemen Razzien, Verhaftungen und Entführungsaktionen gegen Menschenrechtsaktivisten, politische Gegner, Jugendliche und Journalisten durchführe und sie ohne jegliche rechtliche Grundlage in Gefängnisse und Haftanstalten stecke. Er erklärte, dass das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen durch die Houthi-Gruppen zur täglichen Praxis geworden ist. Er rief dazu auf, der Berichterstattung, Überwachung und Dokumentation dieser Verstösse die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken und den Druck auf die Houthis zu erhöhen, alle willkürlich inhaftierten und verschwundenen Personen freizulassen.

Dazu erhielten zivilgesellschaftliche Organisationen das Wort, um ihre Bedenken bezüglich des UNWGEID-Berichts zu äussern. Diese Gruppen brachten alle zum Ausdruck, dass sie das systematische Verschwindenlassen von Personen und die Verweigerung von Menschenrechten verurteilen. Fast alle Organisationen räumen ein, dass staatliche Milizen bei der Begehung dieser Verbrechen mitwirken. Eine Nichtregierungsorganisation merkte an, dass das Verschwindenlassen von Personen manchmal vom Staat als Waffe eingesetzt wird, um Desinformationen in der Gesellschaft zu verbreiten.

Darüber hinaus gab Emily Bare von GICJ eine gemeinsame mündliche Erklärung ab, in der sie den systematischen Charakter des Verschwindenlassens im Irak darlegte. Sie hob hervor, dass der Staat Massengräber und Geheimgefängnisse einsetzt, um diese Gräueltaten zu fördern. Sie verurteilte die Straffreiheit für diese Täter und forderte den Menschenrechtsrat auf, die Mission der UNWGEID bei der Untersuchung dieser weit verbreiteten Fälle im Irak zu unterstützen.

Martin Browne von GICJ gab während dieses interaktiven Dialogs ebenfalls eine gemeinsame mündliche Erklärung ab. Er beklagte die Berichte über Länder, die nicht vollständig mit der UNWGEID zusammenarbeiten, wenn die Menschenrechte durch das Verschwindenlassen von Personen bedroht sind, und forderte Staaten, die stolz auf ihre Menschenrechtsbilanz sind, auf Informationsanfragen zu reagieren und Länderbesuche im kommenden Jahr zuzulassen. Er forderte die Staaten ausserdem auf, Technologien zu unterstützen, die wichtige Informationen über Personen, Inhaftierungseinrichtungen und Begräbnisstätten dokumentieren und weitergeben, um wirksame Untersuchungen zu erleichtern.

 

Schlussbemerkungen

Der Vorsitzende des UNWGEID, Luciano Hazan, schloss mit abschliessenden Antworten an die Delegationen der Staaten.

Er betonte auch das Interesse der UNWGEID an der Beantwortung von Anfragen der Familien der Verschwundenen bezüglich des Schicksals ihrer Familienmitglieder. Er wies darauf hin, dass ein Hindernis für die Aufarbeitung des Verschwindenlassens von Personen in vielen Ländern der Mangel an den dafür notwendigen Ressourcen sei. Er betonte, dass es von entscheidender Bedeutung ist, eine Politik der Rechenschaftspflicht einzuführen, um sicherzustellen, dass sich dieses Verbrechen nicht wiederholen kann.

 

Position von Geneva International Centre for Justice

Die Problematik des Verschwindenlassens von Personen ist weit verbreitet und wird von den Regierungen oft systematisch ignoriert. Die internationale Gemeinschaft ist dafür verantwortlich, sich gegenseitig für einen  höheren Standard einzusetzen und sicherzustellen, dass diese Probleme nicht unbemerkt, undokumentiert oder ohne Gerechtigkeit für die Opfer und ihre Familien bleiben.

GICJ möchte darauf hinweisen, dass das Problem des gewaltsamen Verschwindenlassens speziell im Irak nach unseren Quellen zwischen 500.000 und 1.000.000 Personen seit 2003 betrifft. Die irakischen Behörden und ihre Milizen haben die Entführung tausender unschuldiger Zivilisten unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung für ihre sektiererischen Ziele gerechtfertigt. GICJ ist besorgt, dass der Besuch der Arbeitsgruppe im Irak immer noch nicht stattgefunden hat. Wir sind der Meinung, dass ein Besuch von entscheidender Bedeutung ist, da die irakischen Behörden sich weiterhin weigern, die Empfehlungen aus den Jahren 2016, 2020 und 2022 umzusetzen. 

Wir fordern daher, dass der Druck auf die Regierungen erhöht wird, damit sie ihren Verpflichtungen nachkommen. Die Staaten müssen umfassende Massnahmen zur Aufarbeitung von Missbrauch in der Vergangenheit, einschliesslich des Verschwindenlassens von Personen, entwickeln und umsetzen, die das Recht der Opfer auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung einschliessen sollten.

Wir fordern die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft auf, konkrete Massnahmen zu ergreifen, um diese Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Wir raten dem Menschenrechtsrat ausserdem dringend, die Mission der Arbeitsgruppe zur Untersuchung der grassierenden Situation des Verschwindenlassens im Irak zu unterstützen.

In der Videoaufzeichnung, die diesem Bericht beigefügt ist, können Sie die beiden gemeinsamen mündlichen Erklärungen sehen, die Emily Bare und Martin Browne vom GICJ während des interaktiven Dialogs abgegeben haben.

Read in English

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