49. Tagung des Menschenrechtsrates

28. Februar-1. April 2022

PUNKT 3 und 5 - Interaktiver Dialog mit dem Sonderberichterstatter betreffend Minderheiten

gefolgt von dem Forum für Minderheitsfragen

22. und 24. März 2022

Von Francesca Maccabruni und Gian Heimann / GICJ

Übersetzt von Elina Siegfried 

Übersicht 

Während der 40. Sitzung der 49. ordentlichen Tagung des Menschenrechtsrats warnte der Sonderberichterstatter betreffend Minderheiten, Fernand de Varennes, vor der Verschlechterung der Lage der Minderheiten in der Welt aufgrund zunehmender Hassreden, Hassverbrechen, der Verweigerung ihrer Identität und des Rechts auf Bildung in ihrer Muttersprache in etlichen Ländern. Der Sonderberichterstatter hob hervor, dass die meisten Konflikte weltweit innerhalt der Staaten ausgetragen werden und oft durch die Ausgrenzung und Diskriminierung von Minderheiten verursacht werden. 

Herr de Varennes äusserte sein Bedauern darüber aus, dass keine der Empfehlungen früherer Mandatsträger betreffend die Rechte der Minderheiten berücksichtigt worden seien. Er warf der internationalen Gemeinschaft und den Institutionen der Vereinten Nationen vor, sich nicht ausreichend auf die Identifizierung und Bekämpfung der Hauptfaktoren dieser Konflikte zu konzentrieren. Der Sonderberichterstatter sprach sich dafür aus, dass, um Konflikte zu verhindern, Minderheiten einen gleichberechtigten Zugang zu wirtschaftlichen und sozialen Chancen haben sollen und ihre Muttersprache in die Bildungssysteme der Staaten eingegliedert werden solle. Ein Rahmenprogramm der Rechte für Minderheiten könnte und sollte als frühzeitiges Warnsystem genutzt werden, um entstehende Konflikte zu verhindern. 

Herr de Varennes berichtete über seinen Besuch in den Vereinigten Staaten (USA) und erörterte, dass Minderheiten in den USA von einem juristischen Gesichtspunkt aus aufgrund gewisser Lücken in staatlichen sowie Bundesgesetzen zunehmend gefährdet seien. Diese Gesetze sind nicht immer mit internationalen Menschenrechtsstandards und -verpflichtungen kompatibel und sind des Weiteren nicht an die heutigen Herausforderungen angepasst, wie z.B. Hassreden und Hassverbrechen. Aus diesen Gründen fordert der Bericht auf zur Implementierung umfassender Menschenrechtsgesetze, welche die völkerrechtlichen Verpflichtungen der USA miteinbeziehen. 

Im darauffolgenden Interaktiven Dialog erhielten Vertreter die Möglichkeit, Erklärungen zum Bericht des Sonderberichterstatters über die Lage der Minderheiten abzugeben. Mehrere Vertreter, darunter die Vertreter der USA, Grossbritanniens, der EU, der nordisch baltischen Staaten und Südafrikas brachten ihre Zustimmung zum Ansatz des Sonderberichterstatters zum Ausdruck und zur Perspektive, die Minderheitsrechte in die Konfliktanalyse und -prävention miteinzubeziehen, um den Frieden und die soziale Ausgeglichenheit zu gewährleisten. Andere Länder, darunter Nepal, Ägypten, Armenien und der Irak nutzten die Gelegenheit, um die Tradition der Diversität ihrer Länder zu betonen und deren verfassungsrechtlichen Schutz der Minderheiten. Der Vertreter der Organisation für Islamische Kooperation (OIC) warnte vor zunehmenden Hassreden und entmenschlichender Sprache und Gewalt gegen Muslime weltweit. Die Vertreter von Belarus und Russland denunzierten die Vereinten Nationen für die Nichtbeachtung der vermeintlichen Diskriminierung russischer Minderheiten in der Donbass-Region und in europäischen Ländern wie Lettland, Estland und Litauen. Zahlreiche Repräsentanten verurteilten diese Erklärungen und den falschen Vorwand des russischen Militärangriffs, seine Minderheiten zu schützen. 

Am 24. März 2022, wurde die 45. Sitzung der 49. ordentlichen Tagung des Menschenrechtsrats gehalten, in welcher auch das Forum für Minderheitsfragen abgehalten wurde. Der Sonderberichterstatter betreffend Minderheiten erinnerte daran, dass in Bezug auf den Konflikt in der Ukraine, die Generalversammlung am 3. März alle Parteien dazu aufforderte, Zivilisten und besonders verletzliche Personen zu schützen und die Menschenrechte für Frauen, ältere Menschen, Kinder, Personen mit Behinderungen, Ureinwohner und Migranten sicherzustellen. Alle verletzlichen Gruppen wurden in der Resolution genannt, mit Ausnahme der Minderheiten, welche nicht in den Schutzplänen enthalten sind und nicht auf der Liste der gefährdeten Personen stehen. Herr de Varennes betonte, dass die Ausgrenzung von Minderheiten zu Kriegszeiten inakzeptabel und zutiefst beunruhigend sei. Die Staaten sollten sich auf die Einbindung der Minderheiten konzentrieren und einen gemeinsamen Dialog errichten sowie Mechanismen entwickeln, welche potenzielle Konflikte erkennen und vor diesen warnen können. 

Hintergrund

Im Juni 2017 wurde Herr de Varennes vom Menschenrechtsrat zum Sonderberichterstatter betreffend Minderheiten ernannt. Er nahm seine Arbeit am 1. August 2017 auf. Das Mandat wurde im Jahr 2020 durch die Resolution 43/8 auf einen Zeitraum von 3 Jahren verlängert. Dabei ist hervorzuheben, dass sich seine Arbeit auf die Menschenrechte vonMinderheiten und Migranten konzentriert und versucht, ethnische Konflikte zu verhindern, die Einbindung der Minderheiten voranzutreiben, jedoch auch gegen Diskriminierung, Hassreden und Gewalt anzukämpfen.

In seinem ersten Bericht (A/HRC/37/66), welcher dem Menschenrechtsrat 2018 unterbreitet wurde, machte der Sonderberichterstatter darauf aufmerksam, dass Unklarheiten und Unsicherheiten in Bezug auf den sozialen Status von Minderheiten bestünden und sich dies in einigen Fällen negativ auf die Umsetzung der Menschenrechtserklärung auswirken könnte. Demzufolge würde er sich im Rahmen seines Mandats darauf konzentrieren, den richtigen Umfang des Begriffs "Minderheit" im Sinne der Erklärung über die Rechte von Minderheiten wiederherzustellen. Er betonte zudem, dass er sich dafür einsetze, die Leistungsfähigkeit des Forums für Minderheitsfragen zu verbessern und das Ziel, bei seinen Länderbesuchen mit Angehörigen von Minderheitsgruppen zusammenzutreffen und sich auszutauschen, um ihre Bedürfnisse besser verstehen zu können. 

Herr de Varennes unterbreitete mehrere Berichte während der 49. ordentlichen Tagung des Menschenrechtsrats. Der erste (A/HRC/49/46) konzentriert sich auf die Konfliktverhinderung durch den Schutz der Menschenrechte von Minderheiten, welcher durch einen Nachtrag (A/HRC/49/46/Add.1) bezüglich den Besuch des Sonderberichterstatters in die USA im November 2021 ergänzt wurde. Der dritte Bericht (A/HRC/49/81) wurde dem Forum für Minderheitsfragen vorgelegt und befasste sich mit den Menschenrechtsinstitutionen und deren Mechanismen. Die Berichte des Sonderberichterstatters wurden in Verbindung mit den Menschenrechtsrats-Resolutionen 6/15 und 19/23 verfasst.

Bericht des Sonderberichterstatter betreffend Minderheiten

Der Bericht über die Konfliktverhinderung durch den Schutz der Menschenrechte von Minderheiten (A/HRC/49/46), welcher am 22. März 2022 vom Sonderberichterstatter präsentiert wurde, beinhaltete Empfehlungen der 14. Sitzung des Forums für Minderheitsfragen, welche am 2. und 3. Dezember 2021 in Genf gehalten wurde. Die Empfehlungen sollen eine Orientierungshilfe für die Umsetzung der Erklärung über die Rechte von Personen, die nationalen oder ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten angehören bieten, welche auf internationalem Recht basiert. In seinem Bericht beschrieb de Varennes die unternommenen Handlungen seit seinem letzten Bericht (A/HRC/46/57), in welchem er auf Fälle verwies, in denen staatliche Behörden Minderheiten nicht vor Diskriminierung geschützt hatten und betonte dabei, dass die Verantwortung bei den Staaten, Zivilgesellschaften und sozialen Medienplattformen läge, Hassreden gegen Minderheiten zu beschränken. Dabei brauche es ein Engagement um sicherzustellen, dass deren Menschenrechte respektiert und miteingebunden werden. 

Im Bericht vom 22. März 2022 erörterte de Varennes die Notwendigkeit von Konfliktprävention durch den Schutz der Menschenrechte von Minderheiten. In den letzten Jahren haben gewalttätige Konflikte aufgrund von Ausgrenzung, Diskriminierung und Ungleichheiten in Verbindung mit Menschenrechtsverletzungen gegen Minderheiten zugenommen. Der Sonderberichterstatter betonte, dass die internationale Gemeinschaft wesentliche Lücken im Hinblick auf die Konfliktprävention und deren Mechanismen füllen müsse, da diese es verkennen, die Hauptursachen der meisten gegenwärtigen Konflikte aufzugreifen. Dabei sei es essenziell, die Rahmenbedingungen der Menschen- und Minderheitsrechte einzubeziehen, um ein wirksameres Frühwarninstrument zu schaffen und gewaltsame Konflikte zu verhindern. 

In seinem Zusatzbericht (A/HRC/49/46/Add.1) führte der Sonderberichterstatter seine Einschätzungen zu seinem Besuch in den Vereinigten Staaten vom 8. bis 22. November 2021 auf Einladung der Regierung der USA aus. Der Zweck dieser Mission bestand darin, Wege zur Verbesserung der Umsetzung internationaler Verpflichtungen in Bezug auf die Minderheitsrechte in den USA zu ermitteln, wie z.B. Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung, das Recht auf politische Beteiligung von Minderheiten, Rechte von Minderheitssprachen, der Zugang zu Justiz und Massnahmen zur Bekämpfung von Hassreden und -verbrechen. Der Bericht beinhaltet Informationen über zahlreiche positive Schritte betreffend die bereits unternommenen Bemühungen im Bereich der Menschenrechte und der Behandlung von Minderheiten nach den nationalen Wahlen im Jahr 2020. Herr de Varennes erklärte jedoch, dass die Gesetze der USA oft nicht einheitlich in allen Bundesstaaten und zudem nicht immer im Einklang mit internationalen Menschenrechtsverpflichtungen seien. Minderheiten sind besonders verletzlich in Bezug auf bundesstaatliche und nationale Gesetzeslücken in Menschenrechtsinstrumenten. Die meisten staatlichen Menschenrechtsschutzmassnahmen gehen auf die Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre zurück. 60 Jahre danach und im Hinblick auf neue Herausforderungen, insbesondere durch die Zunahme von Konflikten gegen Minderheiten, Ungleichheiten und Hassreden, sind neue Handlungen erforderlich. In seinem Bericht empfahl der Sonderberichterstatter im Speziellen eine strategische Kampagne zur Verabschiedung umfassender nationaler Menschenrechtsgesetze, welche die internationalen Menschenrechtsverpflichtungen zur Anerkennung des Rechts auf Gleichheit ohne Diskriminierung miteinbeziehen. 

Schliesslich betonte de Varennes in seinem letzten Bericht (A/HRC/49/81), wie wichtig es ist, die Grundproblematik und -ursachen von Konflikten gegen Minderheiten zu ermitteln und Risikofaktoren zu überwachen, welche dazu beitragen könnten, dass die internationalen und regionalen Menschenrechtsvorschriften als wirksames Instrument zur Verhütung gewaltsamer Konflikte eingesetzt würden.

De Varennes sprach schliesslich mehrere Empfehlungen aus, in denen er die Staaten aufforderte, die internationalen Menschenrechtsinstrumente zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte von Minderheiten zu nutzen, die Umsetzung der Erklärung über die Rechte von Personen, die nationalen oder ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten angehören, sicherzustellen sowie den Opfern Wiedergutmachung und Unterstützung zu gewähren. 

Des Weiteren sollten die Organisationen der Vereinten Nationen sowie regionale und internationale Organisationen einen systematischen Dialog über Minderheitenfragen gewährleisten und einen Mechanismus zur systematischen Überwachung von Hassreden und Hassverbrechen einrichten.

Interaktiver Dialog

Der darauffolgende interaktive Dialog wurde von der Vertreterin der Vereinigten Staaten von Amerika eingeleitet, welche ihre Anerkennung des Berichts des Sonderberichterstatters ausdrückte. Sie betonte, dass die Aufrufe des Sonderberichterstatters zu Handlungen in verschiedenen Bereichen in den USA als willkommene Erinnerung und als Versprechen verstanden werden, dass die USA nicht davor zurückschrecken werden, diese zu berücksichtigen und umzusetzen. Sie erklärte weiter, dass die Verwaltung unter Biden bereits damit begann, gewisse Empfehlungen im Bericht umzusetzen und lud den Sonderberichterstatter im Namen ihres Landes dazu ein, die USA während seinem nächsten Mandat zu besuchen. 

Die Vertreterin Finnlands, dieim Namen der nordisch-baltischen Staaten sprach, stimmte dem Sonderberichterstatter in seiner Erklärung zu, die Angehörigen der Minderheiten im Schutz der Menschenrechte und bei der Konfliktverhütung an erster Stelle zu beachten. Sie erklärte, dass die Grundursachen von Diskriminierung, darunter mehrfache und sich überschneidende Formen von Diskriminierung, angesprochen werden müssen und dass Minderheiten, einschliesslich weiblichen Vertreterinnen in den Entscheidungs- und Präventionsprozess einbezogen werden sollten. Sie äusserte ausserdem ihre Besorgnis über Internet-Hassreden, welche zu Hassverbrechen, physischer Gewalt und sogar Konflikten gegen Angehörige von Minderheiten führen können. Dementsprechend richtete sie eine Frage an den Sonderberichterstatter, inwiefern Regierungen und Geschäfte Handlungen unternehmen können, um allen Mitgliedern von Minderheiten, einschliesslich Frauen, zu ermöglichen, ihre Stimme im Internet zu erheben ohne dabei von Gewalt oder Hassreden bedroht zu sein.

Die Vertreterin der Europäischen Union (EU) unterstrich, dass die EU voll und ganz den Einschätzungen des Sonderberichterstatters anschliesse, dass die uneingeschränkte Wahrnehmung der Menschenrechte durch Angehörige von Minderheiten zur politischen und sozialen Sicherheit beitrage und der Schlüssel für eine wirksame Konfliktverhütung sei. Die Staaten müssen demnach dazu beitragen, allen Formen der Diskriminierung entgegenzuwirken und die Aufstachelung zu Hass gegen Minderheiten zu beseitigen sowie deren uneingeschränkte und sinnvolle Beteiligung an friedensschaffenden Massnahmen zu gewährleisten. Sie erörterte zudem, dass der Bericht des Sonderberichterstatters in einer prekären Zeit präsentiert wurde und dass die EU den unprovozierten und ungerechtfertigten Militärangriff Russlands gegen die Ukraine aufs Schärfste verurteile, während Russland fortwährend Minderheitsproblematiken als falschen Vorwand nutze, um seinen illegalen Krieg zu rechtfertigen. Der wahllose Beschuss ziviler Einrichtungen hat bereits zu zahlreichen Verlusten unter der Zivilbevölkerung geführt, darunter auch Angehörige von Minderheiten. 

Zahlreiche Vertreter, einschliesslich Nepals, Ägyptens, Armeniens, Südafrikas und des Iraks nutzten die Gelegenheit, die Tradition der Diversität und des verfassungsrechtlichen Schutzes der Minderheiten in ihren Ländern hervorzuheben. Der Vertreter Chinas äusserte sich besorgt über die Gewalt, die sich gegen Minderheiten richtet, und forderte die internationale Gemeinschaft dazu auf, gemeinsame Handlungen zu unternehmen, um deren Diskriminierung und Gewalt entgegenzuwirken. Er verurteilte zudem die ernsthaften Verletzungen der Minderheitsrechte in den USA, die vom Sonderbeauftragten aufgezeigt wurden. Er fügte an, dass die USA in der Vergangenheit, systematisch die indigene Bevölkerung diskriminiert, sie ihrer Freiheit und ihrer Rechte beraubt und Gewalttaten gegen sie verübt hätte, was einem Völkermord gleichkäme. Die USA müsse ihre Verantwortung gegenüber der Vergangenheit tragen und der kontinuierlichen Diskriminierung, insbesondere gegen Personen afrikanischer und asiatischer Abstammung sowie Muslime und Inder, ein Ende setzen.

Der Vertreter der Organisation für Islamische Kooperation (OIC) begrüsste den Bericht des Sonderbeauftragten und versicherte, seine Empfehlungen einzubeziehen. Er unterstrich die negativen Auswirkungen auf den Zusammenhalt und die Stabilität von Gesellschaften, die durch die Ausgrenzung von Minderheiten von der Teilnahme am öffentlichen Leben entstehe. Die OIC zeigte sich über die Zunahme von Hassreden und dehumanisierender Sprache gegen Minderheiten beunruhigt. Der Vertreter bestätigte, dass die OIC den Erläuterungen, die Grundursachen für Konflikte anzugehen, wie ethnische und religiöse Diskriminierung, politische Ausgrenzung und sozioökonomische Marginalisierung, voll und ganz zustimmt. Er erklärte, dass die internationale Gemeinschaft konkrete Massnahmen implementieren sollte, um Toleranz und friedliches Zusammenleben weltweit zu fördern. In diesem Zusammenhang sollte die Annahme der UN Resolution gegen Islamophobie vorangetrieben werden. 

Der Vertreter Pakistans ging ebenfalls auf das Thema der Islamophobie ein. Er zeigte sich besonders darüber besorgt, dass die Situation "in einem Land unserer Region" Warnsignale für die Diskriminierung von Muslimen aufzeige und forderte den Sonderberichterstatter auf, ebendiesesLand zur Wahrung der Grundrechte von Muslimen zu drängen, die Strukturen der Diskriminierung abzubauen und damit die bekannten Täter zur Verantwortung zu ziehen. Die Vertreterin Indiens wies alle Verweise auf Indien im Bericht des Sonderbeauftragten vehement zurück. Sie behauptete, dass es in Indien keine Konfliktsituation gäbe, die im Zusammenhang mit seinem Mandat Aufmerksamkeit verdiene. Die Vorwürfe im Bericht seien "unverantwortlich und sachlich falsch". Gemäss Angaben der Vertreterin zeige dies das fehlende Verständnis des säkularen indischen Politsystems sowie des Pluralismus und der demokratischen Prozesse auf. Hingegen garantiere Indien allen Bürgern ihre fundamentalen Grundrechte ohne Diskriminierung und setze sich weiterhin für die Rechte von Minderheiten ein. 

Der Vertreter von Belarus ersuchte, die Aufmerksamkeit auf die vermeintlichen Menschenrechtsverletzungen gegen nationale Minderheiten in europäischen Ländern, unter anderem in Lettland, Estland und Litauen zu lenken. Seinen Angaben zufolge verfolgten die Regierungen dieser Länder seit vielen Jahren eine konsequente Politik zur Zerstörung der Kultur, Sprache und Geschichte nationaler Minderheiten. Er behauptete, dass Zehntausende von Menschen unter Diskriminierung littenund Gesetzen unterworfen seien, die ihnen die Staatsbürgerschaft und die politischen Rechte entziehen würden. In allen drei Ländern gäbe es ethnische Hinrichtungen von Journalisten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Aufgrund der sich verschlechternden Menschenrechtslage forderte er den Sonderbeauftragten auf, Massnahmen im Rahmen seines Mandats zu ergreifen und die genannten Länder zu besuchen. 

Die Vertreterin Russlands begrüsste ebenfalls den Bericht des Sonderberichterstatters und anerkannte die wichtige Rolle, die die UNO im Rahmen des Minderheitsschutzes spielen könnte. Sie erklärte jedoch, dass die internationale Gemeinschaft und Menschenrechtsinstitutionen in den letzten acht Jahren die Augen gegenüber der Diskriminierung von russischen Sprachminderheiten in der Donbass-Region, welche sie als "die Donbass-Terroristen" bezeichnete, verschlossen hätten. Sie führte weiter aus, dass Kiew, in der ständigen Beschiessung von Siedlungen, Schulen und anderen zivilen Infrastrukturen, einen Krieg gegen seine eigene Bevölkerung führen würde und dies zum Verlust von Tausenden von Menschen führen würde. Sie prangerte das Fehlen einer öffentlichen Verurteilung durch die internationale Gemeinschaft an, während die Ukraine humanitäre Korridore angreife und Zivilisten als menschliche Schutzschilde benutze. Die Vertreterin bedauerte zudem, dass der Sonderbeauftragte seinen ursprünglich geplanten Besuch in Russland im April 2022 nicht wahrnahm. Sie lud ihn ein, Russland in einem späteren Zeitpunkt zu besuchen, um sich von der Realität zu vergewissern, dass Russland Frieden und Harmonie begünstige. 

In diesem Zusammenhang forderte der Vertreter Kubas Mechanismen, um Länder vom interaktiven Dialog auszuschliessen, um eine Störung der Diskussion zu verhindern. Die Vertreterin der Ukraine verurteilte den falschen Vorwand für die russischen Invasion ebenso und erklärte, dass die Aggression bereits zu massiven Opfern unter der Zivilbevölkerung geführt habe, wobei viele der Opfer nationalen, religiösen oder ethnischen Minderheiten angehörten. Die einst lebhafte multikulturelle Bevölkerung der Ukraine sei nun durch die Angriffe vernichtet und zahlreiche Bürger wurden dazu gezwungen, ihren historischen Lebensraum zu verlassen. Dies treffe vor allem auf Roma, griechische, rumänische und jüdische Gemeinschaften in der Donbass-Region zu. Sie führte weiter aus, dass Russland die ukrainische Bevölkerung im eigenen Land massiv unterdrücke. Manche Ukrainer wurden festgenommen und verurteilt, weil sie nationale Symbole der Ukraine oder Bücher in ukrainischer Sprache besassen. Die Ukraine begrüsste die Aufmerksamkeit des Sonderbeauftragten bezüglich der aktuellen Lage, welche durch den russischen Angriff verursacht worden ist und forderte ihn dazu auf, den unterdrückten Ukrainern in Russland besondere Beachtung zu schenken.

Die Vertreterin der Vereinigten Staaten von Amerika kritisierte ebenfalls den "grotesken, erfundenen Vorwand" Russlands für den Einmarsch in die Ukraine mit der Begründung, die Minderheiten zu schützen. Sie versicherte, dass Weltgemeinschaft diese offensichtlichen Lügen verurteile und Präsident Putin für seine Handlungen zur Verantwortung ziehen werde. Nach zahlreichen Erklärungen durch Nichtregierungsorganisationen und der abschliessenden Erläuterungen des Sonderbeauftragten meldete sich der britische Vertreter, um auf Russlands vorherige mündliche Stellungnahme in der 49. Sitzung des Menschenrechtsrat zu reagieren. Dabei sei es essenziell, Russlands Lügen und falschen Narrativen, um seine eklatanten Völkerrechtsverstösse zu rechtfertigen, die Wahrheit entgegenzusetzen. Alle Vertreter sollten sich der Taktik Russlands, falsche Informationen als Teil seiner Propaganda zu verbreiten, bewusst sein. Tausende von friedlichen Demonstranten werden in Russland festgenommen. Politiker werden vergiftet oder wegen politisch motivierter Anschuldigungen zu langen Haftstrafen verurteilt. E r bezeichnete die Verwendung des falschen Vorwandes der Entnazifizierung der Ukraine als obszön und als eine entsetzliche Verzerrung der Realität, die die Erinnerung an den Holocaust verleugne. Als Reaktion darauf forderte er die Vereinten Nationen auf, diese Lügen immer wieder als solche zu erkennen.

Die Vertreter der NGOs stimmten dem Bericht des Sonderberichterstatters zu und betonten die wichtige Rolle des Schutzes der Minderheitenrechte bei Initiativen zur Konfliktverhütung. Manche nutzten die Gelegenheit, ihre Besorgnis über zunehmende Spannungen und Diskriminierung gegen Angehörige von Minderheiten weltweit, insbesondere die Unterdrückung muslimischer Minderheiten in Indien und die Rohingya in Myanmar, auszudrücken. 

Position von Geneva International Centre for Justice (GICJ)

Geneva International Centre for Justice (GICJ) bedankt sich beim Sonderbeauftragten für seinen Bericht und seine Empfehlungen. Wir bleiben zutiefst beunruhigt über das zunehmende Niveau an Diskriminierung und Unterdrückung von Minderheitsgruppen weltweit. Wir ermutigen die internationale Gemeinschaft dazu, effiziente Massnahmen zu ergreifen, um den Schutz und die Förderung der Menschenrechte von Minderheiten zu gewährleisten. Darüber hinaus betonen wir, dass diejenigen, die diese Rechte verletzt haben, für ihre Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden müssen. GICJ unterstützt die Empfehlung des Sonderbeauftragten, die Minderheiten in die Konfliktanalyse und -prävention einzubinden. Wir sind davon überzeugt, dass der Schutz der Menschenrechte von Minderheiten der beste Weg zur Sicherstellung von Frieden und sozialem Gleichgewicht in und unter Ländern ist. GICJ verurteilt alle Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts. Wir verurteilen ferner die falschen Vorwände für derartige Handlungen und Menschenrechtsverletzungen. GICJ fordert Russland demzufolge umgehend dazu auf, seine militärischen Angriffe gegen die Ukraine zu stoppen und friedliche Verhandlungen aufzugreifen. Des Weiteren drängen wir die internationale Gemeinschaft dazu, alle möglichen Massnahmen zu ergreifen, um den Krieg zu unterbinden, die ukrainische Bevölkerung zu schützen und weiteres Leid zu verhindern.

Read in English

Minority, Minorities, Ethnic Minorities, Religious Minorities, Special Rapporteur on Minority Issues, Conflict Prevention Initiatives, Human Rights, GICJ  Geneva International Centre for Justice, Geneva4Justice, Justice


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