49. Tagung des Menschenrechtsrates

28. Februar - 1. April 2022

Punkt 4: Erweiterter Interaktiver Dialog über den Bericht des Generalsekretärs für die Menschenrechtslage in Myanmar/Interaktiver Dialog mit dem Sonderberichterstatter von Myanmar

21. März 2022

Von Georgia Perathoraki / GICJ

Übersetzt von Gian Heimann

Zusammenfassung

Am 18. und 21. März wurden im Rahmen der 49. Ordentlichen Tagung des Menschenrechtsrats die Berichte des Generalsekretärs für die Menschenrechtslage in Myanmar, der Hohen Kommissarin für Menschenrechte in Myanmar, Frau Michelle Bachelet, sowie des Sonderberichterstatters für die Menschenrechtslage in Myanmar, Herr Thomas Andrews, diskutiert.

Herr Khaled Mohamed Khiari, der Vize-Generalsekretär für den Nahen Osten, Asien und den Pazifik, stellte den Bericht des Generalsekretärs betreffend die aktuelle Menschenrechtslage in Myanmar nach dem Militärputsch vom Februar 2021 vor. Herr Khiari stellte ein Update über die Initiativen und konkret ergriffenen Aktionen vor, welche aufgrund der Empfehlungen von Herrn Gert Rosenthal in seiner unabhängigen Untersuchung von 2019 erfolgten. Er unterstrich den erzielten Fortschritt in Bezug auf die Beteiligung der Vereinten Nationen in Myanmar und der Präventionsmöglichkeiten der UN-Systeme. Während seiner Rede betonte der Vize-Generalsekretär, dass das momentane System daran scheiterte, die Menschenrechte der Bevölkerung Myanmars effektiv zu beschützen.

Darüber hinaus sprachen Michelle Bachelet und Thomas Andrews über die schwere humanitäre Krise im Land, die durch die illegale Militärjunta verursacht wird. Sie wiesen auf die unmenschlichen, brutalen und beispiellosen Methoden der Gewalt hin, die von den Streitkräften seit Februar 2021 gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden, und äusserten ihre Besorgnis über die Verschlechterung der Menschenrechtslage in Myanmar. Schliesslich betonten sie die dringende Notwendigkeit einer Koordinierung und starken Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft. Die Hochkomissarin und der Sonderberichterstatter betonten, wie wichtig es sei, alle Verantwortlichen für die humanitäre Krise in Myanmar zur Rechenschaft zu ziehen.

Während des gesamten Interaktiven Dialogs brachten die Delegationen ihre Besorgnis über die Menschenrechtslage in Myanmar zum Ausdruck. Viele verurteilten die unmenschlichen Methoden, mit denen das Militär gegen die Zivilbevölkerung vorgeht, und forderten die Freilassung aller Personen, die unrechtmässig inhaftiert sind und deren Menschenrechte verletzt worden sind. Die Delegierten betonten die Notwendigkeit, die Zivilbevölkerung zu schützen und sich am Aufbau eines Dialogs zur Wiederherstellung des Friedens zu beteiligen. Ebenso forderten sie die UNO auf, Myanmar weiterhin zu unterstützen und alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente und Kanäle effizient zu nutzen, um die Koordination zwischen den Staaten und internationalen Organisationen zu intensivieren.

Geneva International Centre for Justice (GICJ) verurteilt diese Situation in Myanmar und betont Besorgnis über die in der Region begangenen Menschenrechtsverletzungen.  Darüber hinaus fordert GICJ die internationale Gemeinschaft auf, der Situation mehr Aufmerksamkeit zu schenken, indem sie intensivere Anstrengungen unternimmt, um greifbare Ergebnisse zu erzielen und die für diese schreckliche und unmenschliche Situation verantwortlichen Personen zur Rechenschaft zu ziehen. 

Hintergrund

Am 1. Februar 2021 ergriff das Militär in Myanmar die Macht, wenige Stunden bevor das neu gewählte Parlament zum ersten Mal hätte zusammentreten sollen. Unter dem Vorwurf des Wahlbetrugs bei den Wahlen im November 2020 startete die Tatmadaw einen Putsch, der zum Ausbruch von Massenprotesten im ganzen Land führte. Obwohl es vereinzelt zu gewalttätigen Ausschreitungen kam, liessen die Sicherheitskräfte den ganzen Februar über weitgehend friedliche Demonstrationen zu. Gegen Ende Februar ging die Junta jedoch mit zunehmender Gewalt gegen die Demonstranten vor, die vom Einsatz von Wasserwerfern bis hin zu scharfer Munition reichte. Am 28. Februar wurden bei Razzien im ganzen Land mindestens 18 Menschen getötet, was zu einer weiteren Eskalation der Gewalt führte. Willkürliche Verhaftungen, die unnötige und unverhältnismässige Anwendung von Gewalt gegen friedliche Demonstranten, aussergerichtliche Hinrichtungen und die Anwendung von Folter gegen die Festgenommenen haben die Machtergreifung der Tatmadaw begleitet. 

Bericht des Generalsekretärs

Am 22. Dezember 2018 nahm die Generalversammlung der Vereinten Nationen in der Resolution 73/264 zur "Lage der Menschenrechte in Myanmar" die Empfehlung der Ermittlungsmission zur Durchführung einer umfassenden unabhängigen Untersuchung des Engagements der Vereinten Nationen in Myanmar seit 2011 zur Kenntnis. Sie forderte das System der Vereinten Nationen auf, die aufgeworfenen Fragen weiterzuverfolgen und sicherzustellen, dass bei allen Formen des politischen und rechtlichen Engagements die Menschenrechtsbelange berücksichtigt und angegangen werden. Im Anschluss an diese Empfehlung mandatierte der Generalsekretär im Dezember 2018 Herrn Gert Rosenthal, um eine unabhängige Untersuchung des Engagements der Vereinten Nationen in Myanmar von 2010 bis 2018 durchzuführen. Nach mündlichen Präsentationen vor dem Menschenrechtsrat über die Ergebnisse und die Umsetzung der Empfehlungen von Herrn Rosenthals Untersuchung in den Jahren 2020 und 2021 forderte der Menschenrechtsrat den Generalsekretär auf, einen schriftlichen Bericht über die Fortschritte bei der Umsetzung von Folgemassnahmen vorzulegen, um in Zukunft eine wirksamere Arbeit zu ermöglichen und die Präventionsmöglichkeiten des Systems der Vereinten Nationen zu stärken.

Bericht der Hochkomissarin

In seiner Resolution 46/21 forderte der Menschenrechtsrat die Hochkomissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte auf, einen umfassenden Bericht über die allgemeine Menschenrechtslage in Myanmar vorzulegen. In diesem Bericht wurde ein besonderer Schwerpunkt auf mutmassliche Verstösse gegen die internationalen Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht, die Rechtsstaatlichkeit und die Reform des Sicherheitssektors seit dem 1. Februar 2021 gelegt. Er umfasste auch die Umsetzung der Empfehlungen aus den Berichten der Hochkomissarin über die Menschenrechte von Minderheiten in Myanmar.

Bericht des Sonderberichterstatters

Im Dezember 2021 reiste der Sonderberichterstatter für die Menschenrechtslage in Myanmar, Thomas Andrews, im Rahmen seiner Gesamtbewertung der Menschenrechtslage der Bevölkerung Myanmars nach Bangladesch. In einem Anhang des Berichts reflektiert der Sonderberichterstatter über seine Reise und hebt hervor, welche Rolle die die Menschen und die Regierung von Bangladesch bei der Rettung unzähliger Menschen auf der Flucht vor dem Genozid des myanmarischen Militärs im Rakhaing-Staat gespielt haben. Der Sonderberichterstatter sprach mit zahlreichen Menschen, die Menschenrechtsverletzungen durch das Militärregime erlitten haben, darunter auch Fälle von Folter und anderen Misshandlungen während der Inhaftierung.

In seinem Bericht wies er auf einige der schwersten Menschenrechtsverletzungen hin, die zwischen September 2021 und Februar 2022 in Myanmar begangen worden sind. Er dokumentierte die gewaltsamen Angriffe des Militärs auf die Zivilbevölkerung, einschliesslich Luftangriffen, Brandstiftung, aussergerichtlichen Hinrichtungen und der Praxis von Zwangsarbeit und menschlichen Schutzschilden. Ausserdem beschrieb er die Kampagne der Junta zur Verhaftung und Inhaftierung von Aktivisten, Journalisten und friedlichen Demonstranten. Der Bericht von Herrn Andrews beschreibt sehr detailliert die Kriminalisierung von Grundrechten wie der Redefreiheit und dem Recht auf friedliche Versammlung durch die Junta. 

Bericht des Generalsekretärs

In seinem Bericht rief der Generalsekretär dazu auf zur Tat zu schreiten und warb für eine transformative Vision der Menschenrechte im gesamten System der Vereinten Nationen. Er betonte, dass die Menschenrechte in der Verantwortung jedes Akteurs der Vereinten Nationen lägen und dass eine Kultur der Menschenrechte alles durchdringen müsse, was wir tun, vor Ort, auf regionaler Ebene und am Hauptsitz. Der Generalsekretär betonte, dass die Verbindung zwischen dem Schutz und der Prävention der Menschenrechte klar sein sollte.

Eine neue Generation UN-Länderteams

In seinem Bericht förderte Herr Rosenthal die Reform der Einführung des neu gestalteten Systems der Residierenden Koordinatoren (Englisch resident coordinator; RC) auf globaler, regionaler und nationaler Ebene. Ihm zufolge hat die Reform die Kapazitäten der UN-Länderteams (Englisch UN Country Teams; UNCTs) zur Durchführung koordinierter Reaktionen in komplexen Situationen erheblich verbessert. Das wiederbelebte RC-System hat bereits dazu beigetragen, dass die UNCTs die Regierungen besser bei ihren Bemühungen unterstützen, ihre Menschenrechtsverpflichtungen und -zusagen zu respektieren und zu erfüllen. Die Regierungen der Staaten haben diese Änderungen und den allgemeinen Wandel des Ansatzes anerkannt und begrüsst. Im Vergleich zu der Zeit vor dem 1. Januar 2019, als das neue RC-System eingeführt wurde, haben die Regierungen der Programmländer angegeben, dass die RCs zu 78 % eine stärkere Führung, Unparteilichkeit, Koordinierungskapazität und eine stärkere Ausrichtung auf gemeinsame Ergebnisse aufweisen. 

Die Rolle und Herausforderung des RC/HC

Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass der Wert des RC-Systems - im Sinne einer verbesserten Führung, Koordinierung und Einberufung - sich in einem verstärkten und besser zugeschnittenen Beitrag der UNCTs zum Gesamtziel der Förderung der Agenda 2030 und der Verbesserung der Synergien zwischen humanitären, entwicklungs- und friedens- und sicherheitsbezogenen Massnahmen auf der Grundlage der Menschenrechte zu sehen ist. Eine zentrale Rolle des RC/HC bestand darin, einen gemeinsamen Standpunkt für das UNCT in Bezug auf die Zusammenarbeit mit den Militärbehörden zu formulieren. Unmittelbar nach der Machtübernahme brachte das RC/HC das UNCT zusammen, um sicherzustellen, dass die Vereinten Nationen weiterhin lebensrettende humanitäre Hilfe leisten, sich mit Menschenrechtsfragen befassen, die COVID-19-Prävention unterstützen und dringende Entwicklungshilfe leisten. Eine der wichtigsten Herausforderungen für die Zukunft wird darin bestehen, sicherzustellen, dass die Vereinten Nationen weiterhin humanitäre Hilfe für die Bedürftigen leisten. Der RC/HC hat sich für einen Ansatz entschieden, bei dem die verschiedenen Komponenten der Organisation aufeinander abgestimmt werden, indem unterschiedliche Mandate und Fachgebiete innerhalb und ausserhalb Myanmars genutzt werden. 

Beobachtungen

Der Bericht des Generalsekretärs unterstrich, dass eines der Hauptziele der Vereinten Nationen darin besteht, die Achtung der Menschenrechte für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu unterstützen. Er erklärte, dass im Falle einer Krise Einzelpersonen und Gemeinschaften geschützt werden müssen, wobei das humanitäre Völkerrecht, die internationalen Menschenrechtsnormen und das internationale Flüchtlingsrecht zu beachten sind. Darüber hinaus sprach sich der Generalsekretär für die Stärkung der Kooperations- und Zusammenarbeitsmechanismen aus, um die Ausbreitung von Gewalt zu verhindern.

Bericht der Hohen Kommissarin

In ihrem Bericht sprach Frau Bachelet mehrere Empfehlungen an die Militärbehörden, die internationale Gemeinschaft und das System der Vereinten Nationen aus und ging dabei auch auf die ungeheuerlichsten Verstösse des Militärs in Myanmar ein.

Menschenrechtsverletzungen

Zwischen dem 1. Februar 2021 und dem 31. Januar 2022 starben mindestens 1.500 Menschen durch das Zutun der Sicherheitskräfte und der mit ihnen verbundenen Organisationen. Dies ist  eine Gesamtzahl, die über die Zahl der zivilen Todesopfer infolge bereits bestehender bewaffneter Konflikte hinausgeht. Über 100 Kinder, darunter mindestens 90 Jungen und 15 Mädchen, wurden getötet. Davon scheinen mindestens 19 Kinder jünger als 13 Jahre gewesen zu sein, und mehr als ein Viertel aller getöteten Opfer war Berichten zufolge zwischen 18 und 29 Jahre alt.

Nach der gewaltsamen Auflösung von Anti-Militär-Demonstrationen griffen die Sicherheitskräfte mutmassliche Demonstranten an und töteten Unbeteiligte. Bei der Razzia in Bago am 9. April erschossen die Sicherheitskräfte einen Bewohner in seinem Haus, als sie Demonstranten in der Nachbarschaft verfolgten. Diese unnötige und unverhältnismässige Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte gegen friedliche Demonstranten verletzte zahlreiche Rechte, darunter das Recht auf Sicherheit und das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit. In Fällen, in denen diese Gewaltanwendung zum Tod von Demonstranten führte, wurden ihre Leichen entsorgt, ohne die Familien zu informieren oder deren Zustimmung einzuholen. Solche Handlungen kommen einem willkürlichen Lebensentzug gleich, und die Urheber solcher Verbrechen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.

Seit dem 1. Februar 2021 hat der Staatsverwaltungsrat rechtswidrig Gesetze geändert, um den Sicherheitskräften unkontrollierte Festnahme- und Inhaftierungsbefugnisse zu übertragen, die zur gezielten Einschüchterung von Personen genutzt werden, die sich der Militärherrschaft widersetzen. Zunächst nahm das Militär Hunderte von Personen aus der Exekutive und Legislative fest. Später nahm es Ärzte, Krankenschwestern, Prominente, Studenten, Pädagogen und andere Personen ins Visier, weil sie den Staatsstreich kritisiert und an friedlichen Demonstrationen oder Bewegungen des zivilen Ungehorsams teilgenommen hatten. Die festgenommenen Personen wurden in der Regel auf Polizeistationen oder in Gefängnissen inhaftiert. Anschliessend schickten die Militärbehörden die Verhafteten in militärische Verhörzentren, bevor sie sie auf Polizeistationen und dann in Gefängnisse oder direkt in Gefängnisse überwiesen. Die Personen verbrachten unterschiedlich lange Zeiträume in den Militäreinrichtungen, und eine zunehmende Zahl von ihnen war Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt während den Verhören, ohne dass Ihnen ein ordnungsgemässes Verfahren geboten wurde.

Die aus den Haftanstalten entlassenen Personen berichteten über harte Haftbedingungen, und erheblicher Überbelegung. Eine physische Distanzierung war nicht möglich, und für diejenigen, die sich mit COVID-19 infiziert hatten, wurde keine Behandlung angeboten. Befragte, die in vier verschiedenen Gefängnissen in ganz Myanmar inhaftiert waren, gaben an, dass einigen Verurteilten von den Gefängnisbehörden die Befugnis übertragen wurde, politische Gefangene zu disziplinieren, was zu weit verbreiteter Erpressung und vielen Fällen von Missbrauch führte.

Darüber hinaus setzten viele bewaffnete Gruppen Landminen und versteckte improvisierte Sprengsätze ein, was zur Verletzung und zum Tod vieler Menschen im ganzen Land führte. Landminen oder Sprengsätze waren für mehr als 88 Todesfälle verantwortlich, und es wurden mindestens 600 Vorfälle gemeldet, bei denen Landminen eingesetzt wurden. Tatmadaw-Einheiten sollen Landminen in leeren Dörfern verlegt haben, um die Vertriebenen an der Rückkehr zu hindern. Mehrere Detonationen führten Berichten zufolge zu Toten und Verletzten an verschiedenen Orten des Landes. Dem Bericht des Hochkommissars zufolge haben die Streitkräfte mehr als 2.000 Häuser niedergebrannt, darunter Häuser von Zivilisten, Lebensmittellager, Gesundheitseinrichtungen und Kirchen. 

Empfehlungen

Seit Februar 2021 hat Myanmar erhebliche Rückschritte bei der Wahrnehmung aller bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte seiner Bürger und Bürgerinnen zu verzeichnen. Mehr als 1.500 Menschen sind bei der Ausübung ihrer Grundrechte und -freiheiten oder in der Obhut derjenigen, die zu ihrem Schutz verpflichtet sind, gestorben. Über 10.000 Menschen wurden willkürlich inhaftiert und schmachten im Gefängnis, Hunderte, wenn nicht Tausende wurden gefoltert. Michelle Bachelet forderte die unverzügliche Freilassung aller Personen, die wegen politischer Meinungsäusserung, Vereinigungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Protesten inhaftiert, verfolgt und/oder verurteilt wurden. Ausserdem forderte sie die Streitkräfte auf, jegliche Gewalt und Angriffe gegen die Menschen in Myanmar im ganzen Land einzustellen. Die Hochkomissarin schlug vor, dass alle Parteien in Myanmar uneingeschränkt mit den Sondergesandten des Generalsekretärs und der ASEAN zusammenarbeiten sollten, um die Grundlage für einen Dialog mit allen Parteien und Interessengruppen, einschliesslich Frauen, jungen Menschen und Vertretern von Minderheiten, zu schaffen. Sie riet allen Parteien, den ungehinderten Zugang zur humanitären Hilfe, sowohl internationaler als auch lokaler Dienstleister, zu ermöglichen und die Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht in vollem Umfang einzuhalten.

Schliesslich empfahl Frau Bachelet der internationalen Gemeinschaft, allen Personen, die internationale Grenzen überqueren, Schutz zu gewähren, sofortige humanitäre Hilfe zu leisten und dafür zu sorgen, dass alle Rückführungen auf würdige und freiwillige Weise und in voller Übereinstimmung mit den Anforderungen des Völkerrechts erfolgen. Darüber hinaus schlug sie der internationalen Gemeinschaft vor, dafür zu sorgen, dass jede politische Lösung der Krise Massnahmen der Übergangsjustiz umfasst und Amnestien für schwere Menschenrechtsverletzungen und internationale Verbrechen unterbleiben.

Bericht des Sonderberichterstatters

In seinem Bericht wies der Sonderberichterstatter auf einige der schwerwiegendsten Menschenrechtsprobleme in Myanmar im Zeitraum zwischen September 2021 und Februar 2022 hin. In seinem Bericht dokumentierte er die gewaltsamen Angriffe des Militärs auf die Zivilbevölkerung, einschliesslich Luftangriffe, Brandstiftung, aussergerichtliche Hinrichtungen und den Einsatz von Zwangsarbeitern und menschlichen Schutzschilden. Diese Angriffe haben zu der schweren humanitären Krise geführt, die das Land heute beherrscht und die Gesundheit und das Leben von Millionen Menschen bedroht, und sie verschärfen diese Krise noch weiter.

Gewalt und Angriffe auf die Zivilbevölkerung

Herr Andrews sprach über die weit verbreiteten und systematischen Angriffe der Junta auf die Zivilbevölkerung. Er betonte, dass diese Angriffe wahrscheinlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen, einschliesslich der Verbrechen von Mord, Versklavung, Zwangsumsiedlung, Folter, Vergewaltigung, sexueller Gewalt und Menschenhandel. Der Sonderberichterstatter betonte, dass die Angriffe der Junta, wenn sie im Rahmen eines bewaffneten Konflikts stattfinden, wahrscheinlich Kriegsverbrechen darstellen, einschliesslich der Verbrechen der vorsätzlichen Tötung, der Folter und unmenschlichen Behandlung, der Zerstörung von Eigentum, des Zwangs zur Dienstpflicht in den feindlichen Streitkräften, der rechtswidrigen Versetzung, der Plünderung, der Vergewaltigung, der sexuellen Gewalt und der Vertreibung von Zivilisten. Die Täter und Verantwortlichen für diese Verbrechen müssen zur Rechenschaft gezogen werden. In Anbetracht der Tatsache, dass diese Verbrechen vom Militär in Myanmar seit Jahrzehnten ungestraft begangen werden und dass sie auf höchster Ebene der militärischen Befehlskette inszeniert wurden, muss die internationale Gemeinschaft handeln, um die Rechenschaftspflicht sicherzustellen.

Das Militär hat Kampfjets, Hubschrauber, schwere Artillerie und leichte Waffen eingesetzt, um die Zivilbevölkerung anzugreifen. Diese Taktik des Militärs ist ein klarer Verstoss gegen das Prinzip der Unterscheidung, ein Grundprinzip des humanitären Völkerrechts, das verlangt, dass Kombattanten zwischen zivilen und militärischen Zielen unterscheiden müssen. Nach Angaben des Sonderberichterstatters haben die Streitkräfte Luftangriffe auf die Zivilbevölkerung geflogen.

Zwangsumsiedlung

Die unerbittlichen Angriffe der Junta auf die Zivilbevölkerung und die zügellosen Menschenrechtsverletzungen haben zu einer weit verbreiteten Vertreibung beigetragen und die humanitäre Krise verschärft. Bis zum 28. Februar 2022 wurden seit Beginn des Putsches 503.000 Menschen vertrieben, 235.000 davon seit dem 1. Dezember 2021. Dies ist ein dramatischer Anstieg der Vertreibung in einem Land, das bereits unter vielen langwierigen Konflikten leidet. Darüber hinaus sind viele der Vertriebenen in bewaldeten Gebieten oder anderen Verstecken untergebracht, die nur über begrenzte Vorräte verfügen. Sie haben oft keinen Zugang zu Nahrungsmitteln, Trinkwasser, sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung.

Darüber hinaus äusserte der Sonderberichterstatter auch seine Besorgnis über die Zunahme der Zwangsarbeit. Der Sonderberichterstatter prüfte die von NGOs gesammelten Berichte über Zwangsarbeit aus erster Hand, darunter Beschreibungen von Fällen mit bis zu 100 Opfern. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) gab an, dass ihre Überwachung der Zwangsarbeit durch den Staatsstreich unterbrochen worden sei, dass aber im Land tätige Organisationen von einer Zunahme der Zwangsarbeit durch das Militär berichteten. Einige Opfer von Zwangsarbeit sind Berichten zufolge auch hingerichtet worden.

Interaktiver Dialog

Die Vertreterin der Europäischen Union zeigte sich besorgt über die Missachtung der Menschenrechte in dem Land. Sie erklärte, die EU unterstütze eine wirksamere Zusammenarbeit zwischen den UN-Mitgliedstaaten, um eine Verschärfung der humanitären Krise zu verhindern. Sie betonte, dass es sehr wichtig sei, diejenigen, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, für ihre Handlungen zur Rechenschaft zu ziehen, und betonte, dass die EU der Ernennung des Residierenden Koordinators in Myanmar entgegensehe.

Die Vertreterin Estlands gab im Namen diversernordischer Länder eine Erklärung ab und wies auf die unmenschlichen Bedingungen hin, unter denen die Zivilbevölkerung in Myanmar zu leiden hat. Estland verurteilte das brutale Vorgehen der Streitkräfte und forderte sie auf, die rechtswidrig Festgehaltenen freizulassen und die Menschenrechte und Grundfreiheiten, wie die Rede- und Versammlungsfreiheit, zu achten. Die Delegierte unterstrich die Notwendigkeit, alle Zivilisten zu schützen und sich am Aufbau eines konstruktiven Dialogs zur Wiederherstellung des Friedens zu beteiligen.

Die estnische Delegierte forderte die Vereinten Nationen auf, Myanmar weiterhin zu unterstützen und gemeinsame Anstrengungen zum Schutz der Menschenrechte und zur Förderung der Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen den UN-Mitgliedstaaten zu unternehmen. 

Der Vertreter Pakistans sprach im Namen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit und ermutigte die UN-Akteure, auf die Beendigung der Gewalt hinzuarbeiten, um allen Formen des Missbrauchs ein Ende zu setzen und Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht für die Opfer zu gewährleisten. Der Vertreter Pakistans betonte insbesondere, dass die Rechenschaftspflicht im Mittelpunkt aller Bemühungen zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen gegen Zivilisten und zur Einhaltung des Völkerrechts stehen sollte.

Darüber hinaus unterstützten Australien, Malaysia, die Philippinen und Bangladesch systemische Reformen, um weitere Gewalt zu verhindern. Sie forderten, dass den Streitkräften Zugang zu den humanitären Hilfslieferungen in Myanmar gewährt werden müsse. Ausserdem betonten sie die Notwendigkeit, die humanitäre Krise zu beenden und die Verantwortlichen für ihre Handlungen zur Rechenschaft zu ziehen.

Die Delegierte der Vereinigten Staaten von Amerika verurteilte nachdrücklich die Übergriffe des Militärs auf die Bevölkerung von Myanmar, einhergehend mit der exzessiven Anwendung von Gewalt, wie Luftangriffen und dem Niederbrennen von Gebäuden. Die Vertreterin äusserte ihre Besorgnis über die Inhaftierung, Folter und Ermordung von Journalisten sowie über den Entzug von Grundfreiheiten wie Rede- und Versammlungsfreiheit. Die Vereinigten Staaten äusserten sich besorgt über die Zerstörung von Gesundheitseinrichtungen und die Anwendung von Gewalt gegen das Personal, was die humanitäre Krise und die Covid-19-Pandemie erheblich verschärft hat. Der Delegierte stellte fest, dass Massnahmen ergriffen werden sollten, um den Zugang der Zivilbevölkerung zu humanitärer Hilfe zu gewährleisten - Verhängung eines Waffenembargos gegen das Militär mit eingeschlossen. 

Die Delegierte des Vereinigten Königreichs erklärte, dass die Wiederherstellung einer demokratischen Verfassung von grosser Bedeutung sei. Abschliessend betonte sie, dass die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen und die gesamte internationale Gemeinschaft wirksame Massnahmen ergreifen sollten, um Druck auf das Militär auszuüben, damit es alle Verstösse einstellt und die unrechtmässig festgehaltenen Personen freilässt. 

Position des Geneva International Centre for Justice

Geneva International Centre for Justice (GICJ) begrüsst die Berichte des stellvertretenden Generalsekretärs für den Nahen Osten, Asien und den Pazifik, der Hochkommissarin für Menschenrechte in Myanmar und des Sonderberichterstatters zur Lage der Menschenrechte. Die mutmasslichen Menschenrechtsverletzungen in Myanmar und die noch nie dagewesene humanitäre Krise sind äusserst besorgniserregend.

GICJ erkennt an, dass Myanmar in einer Abwärtsspirale der Gewalt gefangen ist und verurteilt diesen Zustand. GICJ fordert die internationale Gemeinschaft auf, der Situation in Myanmar mehr Aufmerksamkeit zu schenken und ernsthafte Schritte zu unternehmen, um eine Beendigung der anhaltenden Gewalt gegen Zivilisten, Journalisten und Demonstranten zu gewährleisten. Es müssen grössere Anstrengungen unternommen werden, um diejenigen, die für diese schreckliche und unmenschliche Situation verantwortlich sind, für ihre Handlungen zur Rechenschaft zu ziehen.

GICJ fordert die internationale Gemeinschaft auf, die Grundrechte der Menschen in Myanmar zu wahren, gefährdete Gruppen zu schützen und den Übergang zu einem demokratischen Regierungssystem sicherzustellen.

Read in English

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