Von Natalia Venegas / GICJ

Übersetzt von Elina Siegfried

Am Donnerstag, 17. Januar 2022, griff die Zoll- und Grenzschutzbehörde der USA rund 336 Kinder auf. Dabei handelt es sich um doppelt so viele wie am 30. Dezember 2021, als 150 Minderjährige festgenommen wurden. Von diesen Kindern sind nahezu 76% von ihnen 15 Jahre oder älter, jedoch sind auch Säuglinge und Kleinkinder darunter [1]. Unbegleitete Kinder werden nach US-Gesetzgebung als „Migranten unter dem Alter von 18 Jahren ohne legalen Status in den Vereinigten Staaten und ohne Begleitung eines Elternteils oder Vormund, der für sie sorgen kann“ definiert [2].

Kinder verlassen Zentralamerika ganz alleine aufgrund von Armut, Gewalt und Klimabedingungen. Die Staaten Guatemala, Honduras und El Salvador machen heutzutage Zweidrittel der Herkunftsländer aller unbegleiteten festgenommenen Kinder aus. Der Rest kommt aus Mexiko, wo der Krieg gegen die Kartelle zu immer mehr Unsicherheit und Tötungen führt. Andere Gründe, weshalb Kinder ihre Familien verlassen, sind häusliche Gewalt, kriminelle Banden und lokale Korruption. Darüber hinaus schicken Eltern ihre Kinder allein über die Grenze, um vom Asylschutz und -hilfe für unbegleitete Minderjährige zu profitieren.

Der Immigranten-Status ist eines der größten Probleme. Unbegleitete Kinder bspw. werden als asylberechtigt ausgewählt und sind berechtigt, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Dabei spielt es keine Rolle, dass sie sich lediglich seit einem Jahr in den USA befinden. Allerdings hat die U.S. Staatsbürgerschaft und Einwanderungsbehörde (USCIS) im Jahr 2018 nur 28% aller Asylanträge von Kindern bewilligt. Die Ablehnungsquote bei Asylanträgen ist dabei in den letzten Jahren von 72 auf 63% gesunken. Jedoch gewährt das USCIS unbegleiteten Minderjährigen andere Formen des Rechtsschutzes, unter anderem Sondervisa für Überlebende von Menschenhandel oder elterlichem Missbrauch [2].

Es gibt unzählige Behörden, die in Fällen von unbegleiteten Migrantenkindern involviert sind.  Zum Beispiel, gemäß des Homeland Security Acts von 2002 müssen sowohl das Ministerium für Innere Sicherheit (DHS) wie auch die Gesundheit und Humandienste (HHS) Verantwortung für die unbegleiteten Kinder übernehmen. Im Jahr 1997 führte eine Klage gegen die Bundeseinwanderungsbehörden zum sogenannten "Flores-Vergleich". Demgemäß ist die Regierung der Vereinigten Staaten dazu angehalten, unbegleitete Minderjährige mit den grundlegenden menschlichen Bedürfnissen wie Nahrung und Wasser, medizinischer Notversorgung, sanitären Einrichtungen und einer belüfteten, temperaturgeregelten Umgebung zu versorgen. 

In diesem Prozess, ist das Ministerium für Innere Sicherheit (DHS) die erste verantwortliche Institution. Die Agentur ist für das Aufgreifen, die Bearbeitung der Fälle der Kinder, sowie die Rückkehr in ihr Heimatland verantwortlich. Die Zoll- und Grenzschutzbehörde (CBP) des DHS nimmt Kinder, die die Grenze überqueren und als unbegleitete Kinder identifiziert werden, zunächst in Gewahrsam. Deren Status wird mittels Interviews, Dokumenten und medizinischen Tests ermittelt. In einem nächsten Schritt trennt die CBP von Fall zu Fall die Minderjährigen von Erwachsenen. Diese Trennung ist normalerweise grundlegend für die Einstufung der Erwachsenen als unverwandt, gefährlich oder strafrechtlich verfolgbar. Die Trennung führt dazu, dass die Kinder als „unbegleitet“  determiniert werden.

In der Zwischenzeit sind die Gesundheits- und Sozialdienste (HHS) für die Unterbringung unbegleiteter Kinder in einer "am wenigsten einschränkenden Umgebung" verantwortlich, solange sie sich in staatlichem Gewahrsam befinden. Die "am wenigsten einschränkende Umgebung" bedeutet oft, dass das HHS Kinder in Gruppenheime, Pflegefamilien oder andere Einrichtungen schickt, welche für die langfristige Betreuung von Kindern gedacht sind. Währenddessen müssen die Kinder eine Entscheidung treffen, wobei für sie drei Optionen bestehen. Erstens; das Kind lässt seinen Fall fallen und wird zurück in sein Heimatland geschickt. Zweitens; das Kind ist volljährig und wird entweder freigelassen oder in einer Einrichtung für Erwachsene inhaftiert, wo es auf ein Gerichtsverfahren wartet. Drittens; das Kind erhält Asyl oder Immigrationserleichterung und kann sein Leben gesetzmäßig in den Vereinigten Staaten beginnen.

Die Biden-Regierung verfolgte einen anderen Ansatz. Ihr Justizministerium hat die Null-Toleranz-Politik formell beendet. Sie hat daraufhin eine Sondereinheit errichtet, um getrennte Kinder mit ihren Eltern wieder zu vereinen. Außerdem haben einige Beamte gewissen Kindern aus dem nördlichen Dreieck vorübergehenden legalen Status gewährt, indem sie das Programm für zentralamerikanische Minderjährige (CAM) wieder eingeführt haben. Nichtsdestotrotz nahm die US-Regierung am 6. Dezember 2021 aufgrund einer Anordnung des Supreme Courts das MMP-Programm wieder auf, auch bekannt als "bleibt in Mexiko“. Denn gemäß US-Gesetzgebung dürfen Minderjährige nicht mit ihrer Familie festgehalten werden während sie auf ihren Prozess warten. Die Maßnahmen der Regierung führten daraufhin zur Trennung von über 4‘300 Kindern von ihrem gesetzlichen Vormund zwischen Juli 2017 und Juni 2018, was zu einer Neueinstufung von Kindern als unbegleitete Minderjährige führte. Die Wiederaufnahme des Programms erschwert die Situation der Kinder, welche aktuell von ihren Eltern getrennt sind und hat tiefgreifende Auswirkungen auf deren Menschenrechte. 

Geneva International Centre for Justice (GICJ) fordert die Vereinigten Staaten auf, den Kindern unter Beachtung der Konvention über die Rechte des Kindes die Möglichkeiten und Grundbedürfnisse zu gewähren, die sie benötigen. GICJ bekundet, dass das MPP-Programm eine drastische Menschenrechtsverletzung darstellt, insbesondere die der Amerikanischen Deklaration für Menschenrechte, welche ein Recht auf Asyl beinhaltet. GICJ berücksichtigt außerdem, dass Kindern Asyl eingeräumt werden sollte wenn nötig, unter Wahrung ihrer grundlegenden Menschenrechte. 

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[1] https://www.latimes.com/espanol/eeuu/articulo/2022-01-21/aumentan-cifras-de-ninos-migrantes-que-llegan-solos-a-la-frontera-sur-de-eeuu
[2] https://www.cfr.org/backgrounder/us-detention-child-migrants
Image sources: Flickr. 

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